Borderline verstehen

Borderline  - durch den Trialog - besser verstehen

Versucht man, Borderline aus der Betroffenen-Perspektive zu beschreiben, ist es gar nicht so einfach, passende Worte dafür zu finden. Worte die eine Momentaufnahme davon einfangen, was es bedeutet, mit Borderline zu leben. Was Fachleute als Störung der Emotionsregulation beschreiben, ist im Alltag der Betroffenen ein permanentes Gefühlschaos, oder eine ständige Achterbahnfahrt der Gefühle. Und was Professionelle als dysfunktionale Spannungsregulation betiteln – wie etwa Schneiden oder Drogenmissbrauch - sind für die Betroffenen verzweifelte Versuche, mit diesem inneren Chaos umzugehen. Oft geht es im Alltag für die Betroffenen darum, auszuhalten. Ein Gefühl von Identitätslosigkeit aushalten und diese ständig quälende Frage danach, „wer ist dieses ,ich´ eigentlich? Die Betroffenen können auch nicht ertragen, sich im Spiegel zu betrachten. Weil sie für das, was sie dort sehen, den allerstärksten Hass empfinden. Sie müssen die Einsamkeit aushalten, während sie sich nach Nähe sehnen – können dann die Nähe aber nicht ertragen und fürchten das Verlassen werden. Es gibt weder Flucht noch Sicherheit. Borderline-Betroffene müssen Anspannung und diese innere Leere ertragen, die wie eine subtile Bedrohung wirkt und hinter jeder Art von Leerlauf lauert. Und manchmal fühlt es sich an, als ob man durch eine unsichtbare Wand von dem Rest der Welt getrennt ist, an der man niemals teilhaben kann. Das alles ist für die Betroffenen veränderbar – dazu brauchen sie jedoch Begleiter im Alltag, die die Borderline-Störung verstehen können.

Heute gibt es ein fundiertes Wissen über die Borderline-Störung. Dank intensiver Forschung der letzten Jahre können die zentralen Probleme der Betroffenen, wie beispielsweise Probleme mit der Emotionsregulation inzwischen gut verstanden werden. Spezialisierte Behandlungskonzepte wurden entwickelt und haben die Prognose für Borderline-Betroffene deutlich verbessert.

Kommen dann von Betroffenen Äußerungen, wie „kenn ich alles schon, hat mir nicht geholfen“, oder „ich schaffe es trotzdem nicht, bei mir ist es eben komplizierter“, sind die Grenzen des Verstehens schnell wieder erreicht. Professionelle Helfer kommen dann vielleicht auf den Gedanken, die Betroffenen wollen sich nicht helfen lassen und sehen ihr hohes Engagement ins Leere laufen; Familienangehörige und Partner gewinnen manches Mal sogar den Eindruck, dass den Betroffenen die Rolle als Patientin gefällt, während die Betroffenen das Gefühl haben, nicht akzeptiert zu werden. Hier ist für alle Beteiligten eine weitere Ebene des gegenseitigen Verstehens nötig, um nicht an Motivation zu verlieren und auch die nächsten Schritte gemeinsam meistern zu können. Der Trialog als Erfahrungs- und Wissensaustausch zwischen Angehörigen, Fachleuten und Betroffenen, hat sich in den letzten Jahren als ein geeignetes Instrument dafür bewährt.

In Familien oder Partnerschaften mit einem Borderline-Betroffenen sind Kommunikation und Beziehungen oft geprägt von heftigen Emotionen. Manchmal geht gar nichts mehr; die Beteiligten können nicht mehr miteinander sprechen, ohne in Streit und in gegenseitige Schuldzuweisungen zu geraten. Eine sachliche Gesprächsebene ist vielleicht nicht mehr zu finden. Hilfreich kann dann sein, Abstand zu gewinnen, die Situation von außen betrachten und sich in die Lage aller Beteiligten hinein zu versetzen. Genau das geschieht im Trialog, wenn Betroffene, Angehörige und Fachleute (die sich zunächst nicht kennen und in keiner emotionalen Verstrickung miteinander sind) sich auf gleicher Augenhöhe zum Austausch von Erfahrungen und Wissen an einen Tisch setzen: Lernen und Verstehen über einen Stellvertreter! Mit diesem neu gewonnenen Wissen kann wieder Begegnung statt finden, es entsteht ein tieferes Verständnis für die Borderline-Störung. Solche Trialog-Veranstaltungen gibt es inzwischen in 21 Städten im Deutschsprachigen Raum. Sie sind recht einfach zu organisieren und bei der Gründung kann auf die Erfahrungen der Borderline-Trialog Kontakt- und Informationsstelle in Nürnberg zurück gegriffen werden.

Mittlerweile gibt es zahlreiche Bücher, Ratgeber, Artikel und Internetseiten über die Borderline-Störung. Um aber zu verstehen, wie sich die Borderline-Symptome für die Betroffenen anfühlen und wie sie sich auf den Alltag auswirken, genügt es eigentlich nicht, viel zu lesen. Im Borderline-Trialog, in den dialogischen Fortbildungen und im direkten Gespräch mit den Betroffenen, kann es besser gelingen, die Borderline-Störung wirklich zu verstehen.  Es gibt unterschiedliche Ausprägungen der Störung, individuelle Unterschiede und völlig verschiedene Ausgangssituationen.

In den nachfolgenden Texten wollen wir beschreiben, was es bedeutet, eine Borderline-Störung zu haben. Die Texte werden fortlaufend ergänzt und sind zu keinem Zeitpunkt vollständig :-)

Angehörige...

Angehörige sind Eltern, Partner, Geschwister, Großeltern, Kinder, nahestehende Menschen und Bezugspersonen.... für sie ist Borderline oft eine Wechselbad der Gefühle zwischen Verzweiflung, Wut, Ohnmacht und Liebe.

Borderline ist nicht ansteckend, aber Gefühle sind es. Und die Borderline-Störung ist geprägt von starken Emotionen, denen sich Angehörige kaum entziehen Können. Häufig erleben Angehörige auf Kurz oder Lang ein ähnliches Gefühls-Chaos wie die Betroffenen selbst. Hilfreich ist oft, wenn die Angehörigen sich gut informieren, um Verhaltensweien und Reaktionen besser interpretieren zu können, und sich selbst auch Unterstützung holen. Hier gibt es beispielsweise Vereine für Angehörige psychisch Kranke, deren Bundesverband auch das Seelefon anbietet - ein telefonisches Beratungsangebot für Angehörige vom Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker.

Wir haben hier einen Text, der eine Alltags-Szene beschreibt. Er wurde 2005 im Grenzposten (eine Zeitschrift, die aktuell nicht mehr herausgegeben wird) von einem anonymen Autor veröffentlich wurde.

Die Diagnosekriterien

im ICD - dem in Deutschland gültigem "Diagnosekatalog" - sind sämtliche Krankheitsbilder beschrieben und mit einer Kombination aus einem Buchstaben und einer Zahl verschlüsselt. Der Code für die Borderline-Störung ist F60.31.

Im DSM-V, dem amerikanischen Diagnosekatalog, sind die diagnostischen Kriterien im Einzelnen aufgelistet.. Zum Nachlesen finden Sie diese in der hier eingestellten pdf-Datei. Die Kriterien sind ergänzt mit Zitaten von Betroffenen, die dem Buch "Leben auf der Grenze" von Andreas Knuf, entnommen sind.

Diagnosekriterien Borderline

Diagnostik - wie erhält man die Diagnose?

Von einer Selbst-Diagnostik allein über die Diagnosekriterien oder online-Tests aus dem Internet ist unbedingt abzuraten. Die einzelenen Diagnosekriterien beschreiben im Grunde Erlebens- und Verhaltensweisen, wie sie jeder Mensch kennt. Nur in einer extremen Ausprägung entsteht dann ein Leidensdruck und ein Krankheitswert. Ein online-Test kann letztlich nicht erfassen, ab wann das "normale Maß" überschritten ist.

Es ist auch nicht möglich, ohne den Betroffenen selbst eine Diagnose zu stellen. Oft versuchen Angehörige anhand der Diagnosekriterien auf eine Borderline-Erkrankung des Partners oder des Kindes zu schließen.

Um auf seriöse Art und Weise an eine Diagnose zu kommen, muss man eine Diagnostik durchlaufen. Hierzu braucht man einen (erfahrenen) Facharzt oder einen Psychotherapeuten. Normalerweise erfolgt die Diagnostik im ambulanten Rahmen; man muss sich dafür nicht in stationäre Behandlung begeben.
Diagnostik
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